Berlin schreibt vielen Menschen, auch mir, die Geschichten wie von selbst – die Jahreszeiten geben ihr übriges noch dazu. Und so begleitet mich und die Leser von Rosegarden die kommenden zwölf Monate die Geschichte um eine Gemeinschaft von vierzehn Personen in Episoden, die erst im Laufe des Jahres entstehen. Die Fotografin Saskia Kyas gibt jeden Monat den passenden optischen Zusatz.
Sie bemerkte die Unruhe nicht, nicht die in die Luft gerichteten Hände und fragenden Blicke. Der Kurs erkannte seine Dozentin kaum wieder, die in Gedanken in ihrer Tasche kramte und durch die Glasscheiben in den Flur schauen konnte, wo Valentina zum wiederholten Mal auf und ab ging, wohl auf das Ende des Unterrichtsblocks wartete.
“Geht es Ihnen nicht gut? Wir sind mitten im Text stehen geblieben.”
Manon nahm die Worte auf, nickte bloß und entschuldigte sich bei der Gruppe. Sie ließ sie zurück, ging den Gang entlang und zeigte ihrer sich umdrehenden Freundin die Richtung zum großen Ausgang.
“Ich musste raus. Warst du schon lange hier?”
Valentina hatte soeben eine Nachricht an Alexander geschrieben, der sich um die kleine Anne kümmerte und vor dem Abend noch mit etlichen Fragen beschäftigte, schließlich war er bisher selten mit dem Kind allein, hatte sich dies auch zu keiner Zeit eingefordert. Seit dem klärenden Gespräch, welches Alexander der Reaktion nach nicht benötigte, hatte er die Zuneigung zu Anne neu für sich entdeckt. Das kleine Ding im Wagen hatte mit einem Mal außer Namen und Herkunft eine Funktion für ihn. Es weinte auch nur halb so oft wie auf Frietjofs Brust.
Manon taten die Finger weh, so sehr brannte es unter ihnen, die losen Sätze vom Vortag weiter zu hören. Das abrupte Verabschieden gestern brachte Manon nichts außer Spekulationen und einer schlaffreien Nacht. Doch so sehr sie auf die Fortführung drängte, sich dabei das Haar zusammen steckte und nah an ihrer wiedergefundenden Freundin mitlief, lenkte Valentina merklich ab, wünschte sich einen Spaziergang und frische Luft.
Tilly saß in einem Restaurant, lehnte Blumen ab, auch eine Nachspeise, als Maren Kluge an den Tisch trat und sich für die Verspätung entschuldigte. Der Taxifahrer musste einen Umweg nehmen, Absperrungen machten das Durchkommen durch Mitte quasi unmöglich.
“Du musst dich an die U-Bahn gewöhnen. Wir können das auch zusammen tun, vielleicht heute gleich.”
Frau Kluge winkte ab und bestellte sich ein großes Ginger Ale, legte Schal und Mütze auf den Nachbarstuhl und sah um sich.
“Der Laden scheint neu zu sein. Diese langen Wände. Kommst du hier öfters her?”
“Ich kenne den Koch ganz gut, ja. Aber vor allem gibt es hier Fußbodenheizung unter den Tischen. Zieh’ deine Schuhe doch auch aus.”
Ob Maren dem Vorschlag nachging, wurde nicht gelöst, hatte Tilly ein anderes Anliegen.
“Sie ist tot.“